Ungehörte Kapitel aus der jüngeren Musikgeschichte Russlands: Fedor Rudin veröffentlicht neues Album „Heritage“

Der bereits mit seiner letzten CD „Reflets“ für den International Classical Music Award nominierte russisch-französische Violinist Fedor Rudin spürt in seinem neuen Studioalbum „Heritage“ gemeinsam mit dem Pianisten Boris Kusnezow dem eigenen familiären Erbe nach. Im Mittelpunkt steht dabei sein berühmter Großvater Edison Denisov, der noch bis in die 1990er-Jahre in Moskau lehrte und komponierte und so einen zentralen Beitrag zur Diversität der russischen Musik nach 1945 lieferte.

Erbschaften fördern zuweilen überraschende Schätze zutage. Und wenn der Erblasser dann noch eine tragende Rolle im Kulturleben seiner Zeit spielte, ist die Relevanz der Funde von überindividueller, zuweilen gar internationaler Bedeutung – in diesem Fall für die russische und, damit untrennbar verzahnt, gesamteuropäische Musikgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts. Auf seiner neuen CD „Heritage“ beleuchtet der Geiger Fedor Rudin sein eigenes familiäres künstlerisches Erbe – mit seinem Großvater Edison Denisov (1929–1996) als programmatischem Dreh- und Angelpunkt, der als (kritischer) Zeitgenosse und Generationsnachfolger Prokofjews und Schostakowitschs eine ganz eigene Musiksprache entwickelte und als einer der großen Pioniere der russischen Nachkriegsmoderne gilt.

Eine besondere konzeptionelle Stärke des neuen Albums liegt auch darin, dass Rudin gemeinsam mit dem befreundeten Pianisten Boris Kusnezow die Musik seines Großvaters sozusagen „objektivierend“ in den großen Zusammenhang nationalrussischer Musik einbettet und dabei auch Komponisten berücksichtigt, die jener nicht goutierte, wie sich Jurowski erinnert: „Edison Denisov hatte einen sehr spezifischen, klar abgegrenzten Geschmack. Es gab Musik, die er liebte, und Musik, die er nicht leiden konnte. Hindemith, Prokofjew und Schostakowitsch regten ihn auf und er konnte sehr wütend werden, wenn seine Werke zusammen mit deren Musik gespielt wurden. Dagegen war er ein großer Bewunderer des französischen Impressionismus.“

„Heritage“ ist alles andere als die familiäre Nabelschau eines herausragenden Geigenvirtuosen. Vielmehr wird hier das Ringen um die Neuausrichtung der Musik nach dem Zweiten Weltkrieg mit Händen greifbar – interpretiert von zwei russischen Emigranten, die mit der nötigen Distanz Entwicklungslinien ihrer Heimat nachzeichnen. Eine CD-Novität mit maximalem Repertoirewert, die zudem neugierig macht auf das hierzulande noch weitgehend unbekannte Leben und Schaffen von Edison Denisov, einem hochproduktiven Exponenten der russischen Post-Avantgarde.

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