Eine Hommage – Quatuor Tchalik und die Kunst des Streichquartetts
„Ein Streichquartett kann man nur mit zwanzig schreiben, in der Unbedarftheit und Tollkühnheit der Jugend, oder mit sechzig, wenn man über eine ausreichende Erfahrung verfügt und einem kein Geheimnis seiner Kunst mehr fremd ist.“ (Camille Saint-Saëns)
Wenn man das Schaffen von Camille Saint-Saëns (1835-1921), betrachtet stellt man fest, wie sehr dieser Ausspruch seiner eigenen Biographie entspricht. Saint-Saëns begann erst sehr spät in seinem Leben, Streichquartette zu komponieren. Seine ersten beiden Streichquartett-Versuche – beide verschollen – reichen zurück bis in seine Jugend in den frühen 1850er Jahren, während er die beiden offiziellen Quartette Nr. 1 op. 112 (1899) und Nr. 2 op. 153 (1918) im Alter von 64, beziehungsweise 83 Jahren komponierte.
Nach dem 2020 veröffentlichten Album mit Kammermusik von Reynaldo Hahn, erforscht das Quatuor Tchalik daher in der Auseinandersetzung mit dem Werk von Camille Saint-Saëns in ihrer neuen Einspielung nicht nur das französische Musikerbe weiter. Es ist vielmehr eine Hommage an den großen französischen Komponisten zum 100. Todesjahr, eine Reverenz vor „seinem riesigen Werk-Katalog, seinen unzähligen Konzerten, seinen vielfältigen Talenten (als Schriftsteller, Dramaturg, Dichter, Maler etc.) und [seinen] Leidenschaften.“ (Quatuor Tchalik)
Das Quatuor Tchalik selbst fällt dabei wohl schon deshalb ins Auge, weil es aus vier Geschwistern besteht. Aufgewachsen in einer russisch-französischen Familie, in der Musik eine wichtige Rolle spielt, musizierten sie seit frühester Kindheit zusammen. Dieser innige Kontakt mit Kammermusik hat den vier jungen Musikern erlaubt, einen natürlichen Stil, eine gemeinsame Atmung und eine außergewöhnliche künstlerische Symbiose zu entwickeln.
Diese Qualitäten wurden beim ersten internationalen Wettbewerb anerkannt, an dem das Quartett teilnahm: Beim Internationalen Mozartwettbewerb 2018 in Salzburg gewann das Quatuor Tchalik gleich den ersten Preis und den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Mozart Quartetts.
Das Quartett veröffentlicht seine Einspielungen unter seinem eigenen Label Alkonost Classics. Nach „Short Stories“ und „Reynaldo Hahn“ legen sie nun mit „Saint-Saëns“ bereits ihr drittes Album in Eigenregie vor (VÖ 24. September 2021). Die Gestaltung des Booklets entstand dabei in Anlehnung an die vielen zeitgenössischen Karikaturen von Camille Saint-Saëns. Das Quartett bedient sich dieses Stilmittels und hat so zusammen mit der Künstlerin Anna Komaromi eine aktuelle Deutung dieser Kunstgattung vollzogen.
Video-Aufzeichnung von France Musique: Camille Saint-Saëns Streichquartett Nr. 1 op. 112 (1899) – III. Molto adagio – im Théâtre de l’Alliance Française