Opernfestspiele Heidenheim: Bilanz Corona-Spielzeit 2020
Die Opernfestspiele Heidenheim setzten mit den OH! Klappstuhlkonzerten im Juli ein Zeichen in die corona-gebeutelte, weithin stillstehende Kulturlandschaft. 21 Konzerte vom Jazzfrühstück über die Schlossserenaden im leeren Rittersaal bis hin zum zweifachen Projekt der Cappella Aquileia – Orchester der OH! verzeichneten eine Auslastung von 97%. Erstmals spielte in Heidenheim mit der Cappella Aquileia ein vollständig coronagetestetes deutsches Orchester in Vollbesetzung. Und mit der Pop-up-Opera „Elser: Nau bens hald I“ überlebte sogar eine Opernproduktion aus dem OH!-Programm 2020 den shutdown – und kam ganz groß raus.
„Die Absage der Festspiele 2020 schmerzt anhaltend – umso wichtiger war für die Stadt Heidenheim dieses hochkreative Festspielprogramm in festspielloser Zeit“ äußert sich Oberbürgerneister Bernhard Ilg zufrieden. „Ein Programm, das wir uns noch vor wenigen Wochen nicht hätten vorstellen können“ sagt Festspieldirektor Marcus Bosch. „Wir wollten unbedingt spielen und – unter Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen – zeigen, was möglich ist zwischen Kunst und Publikum auch in diesen Tagen.“ Wo sonst große Oper spielt boten Sänger und Musiker kleine Schlossserenaden – wie zu den Anfangszeiten der Festspiele vor 56 Jahren, im nahezu leeren Rittersaal Schloss Hellenstein. Und das Rahmenformat „Jazzfrühstück“ im Brunnengarten wurde zum andächtig aufgenommenem Erlebnis für das auf Klappstühlen und mit Abstand platzierte, „hungrige“ Festspielpublikum.
Große Oper im kleinen Format spielten die OH! mit „Oper auf schwäbisch“ – an wechselnden Orten in Stadt und Kreis vor hunderten von Zuschauern. Oper als Straßenmusik: Das Auftragswerk „Elser: Nau bens hald I“ (Libretto Hendrik Rupp, Musik Sebstian Schwab) zeigte in drei komprimierten Bildern und 25 Minuten Leben und Wirkung des schwäbischen Einzelkämpfers und Hitler-Attentäters Georg Elser. Das Projekt wurde möglich durch Mittel aus der Initiative Landkultur des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Eine „fulminante Elser-Hommage in Opernform“, urteilte die Presse (Manfred Kubiak, Heidenheimer Zeitung).
Das Finale setzte schließlich die Cappella Aquileia – Orchester der OH! mit öffentlichen Aufnahmesitzungen im bislang überragend besprochenen 5-teiligen Beethovenprojekt für das Label CPO und mit der „Klangwolke“: Die SWR-Übertragung eines Konzerts des Orchesters aus dem mit 150 Zuhörern besetzten Festspielhaus CCH in die Haushalte von Stadt und Region war nicht nur künstlerisch ein Erfolg. „Die Cappella Aquileia konnte aufgrund der von Marcus Bosch und der Firma Centogene ermöglichten Tests der Musiker in nahezu normaler Orchesteraufstellung spielen. Ein aufwendiges Hygienekonzept – und ein überaus wichtiges Signal in die so verletzte wie orientierungssuchende Kulturszene dieses Landes“ sagt Matthias Jochner, Kulturchef der Festspielstadt. „Stadt, Sponsoren und die Kunst standen zusammen. Das macht Mut für Zeiten, die erst mal nicht einfacher werden.“ Eleonore Büning freut sich nachdenklich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, „[…] dass vor fünf Tagen erstmals wieder ein volles Orchester auf der Bühne musizierte in Deutschland seit Beginn der Seuchenzeitenwende. […] Deshalb ist die Salzburger ‚Elektra‘, sind die individuellen Aktionen von Bosch oder Levit, die phantasievollen Bach-Ersatzfestspiele von Michael Maul in Leipzig oder die dreißig von Franz Xaver Ohnesorg im Ruhrgebiet ‚geretteten Konzerte‘ so wichtig. Sie sind der Liebe Nahrung: Sie machen großzügig. Sie spenden Mut. Freude. Glück.“