Neues Album vom Schumann Quartett: Musik aus dem Krisen- und Aufbruchsjahr 1923

Das Schumann Quartett widmet seine neueste Studioproduktion „1923“ jenem Jahr, in dem musikalisch neue Wege gesucht, gefunden oder infrage gestellt wurden und zugleich die Geburtsstunde des Radios ein neues Zeitalter für Komponisten und die Verbreitung ihrer Werke einläutete. Das CD-Programm versammelt ausgesuchte Quartettmusik von Paul Hindemith, Alban Berg, Erwin Schulhoff und Leoš Janáček

Das Jahr 1923 erscheint uns im Rückblick janusgesichtig: „Alles kaputt, alles unklar“ – so beschreibt Kuratorin Juliane Au etwa eine aktuelle Schau der Hamburger Kunsthalle, die zeigt, was Kunstschaffende im Krisenjahr der Weimarer Republik bewegte. Denn Deutschland erlebte 1923 eine Hyperinflation, die Besetzung des Ruhrgebiets führte zu massiven Protesten und der versuchte Hitler-Putsch im November erschütterte die Republik. Doch in jeder Krise steckt bereits der Keim eines neuen Aufbruchs, eines „Jetzt erst recht“ – und das spiegeln zuallererst die Künste, insbesondere auch die Musik. Zudem begann für Letztere in diesem Jahr nichts weniger als ein neues Zeitalter, das ihr ungeahnte Verbreitungsmöglichkeiten und neue Zielgruppen eröffnete: Denn 1923 ging das erste Radioprogramm in Deutschland auf Sendung, ebenso übrigens in Tschechien, Österreich und der Schweiz. Diesem Markstein des 20. Jahrhunderts hat das Schumann Quartett (die Brüder Erik (Vl. 1), Ken (Vl. 2) und Mark Schumann (Vc.) sowie Veit Hertenstein (Va.)) nun sein neues Studioalbum „1923“ im Rahmen des BR Klassik Jahresmottos gewidmet, das ausschließlich Kompositionen versammelt, die in diesem Jahr entstanden bzw. uraufgeführt wurden – oder erst ihren großen Durchbruch erlangten.

Das Jahr 1923 ist stilistisch so vielgestaltig wie kaum ein anderes: Hier prallen Atonalität bzw. Zwölftonmusik, Jazz und Neoromantik aufeinander, verschmelzen teils zu Neuem oder stellen sich auch gegenseitig infrage. Am Anfang des Projekts stand die Werkauswahl für das Streichquartett, erinnert sich Ken Schumann: „Ich fand es faszinierend, was für verschiedene Stile in dieser Zeit vorherrschten. Nur fünf Jahre nach dem Ersten Weltkrieg … eine ganz besondere Atmosphäre: Diese Zeit wollten wir ein bisschen zu fassen versuchen.“

Mit seinem neuen Album „1923 – 100 Years of Radio“ liefert das Schumann Quartett also ein klingendes Jahrbuch, das mit Humor, Satire und Experimentierfreude durchsetzt ist, zugleich aber auch zu seelischen Achterbahnfahrten einlädt. Ein Album, das abwechslungsreicher und unterhaltsamer kaum sein könnte, dabei aber zu keiner Zeit oberflächlich oder belanglos daherkommt. Für Letzteres garantiert das herausragende Ensemble bereits seit seiner Gründung 2007, und auch die jüngste Neubesetzung des Violaparts mit Veit Hertenstein (2022) hat daran nichts geändert, wie Publikumszuspruch und die Musikkritik (jüngst auch von Harald Eggebrecht in der „Süddeutschen“) bestätigen.

Zu diesem Nebeneinander verschiedenster Stile gesellen sich als digitale Veröffentlichungen noch zwei weitere Werke, die im Kontrast zu dem restlichen Programm nicht größer sein könnten, aber doch eine sehr wichtige Rolle im musikalischen Gehör dieser Zeit hatten: Nämlich das von James P. Johnson komponierte Stück „The Charleston“ (VÖ 25.8. auf allen Streaming-Plattformen), was der Tanz der goldenen Zwanziger werden sollte sowie die Weihnachtsmelodie „Stille Nacht-heilige Nacht“ von Franz Xaver Gruber, die in der allerersten Rundfunksendung erklang (VÖ 10.11. auf allen Streaming-Plattformen).

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