CD VÖ: Kuss-Plädoyer für einen bislang Ignorierten

Das Kuss Quartett porträtiert auf seiner neuen CD (VÖ 20.6./dig. 6.6., eda records) mit Ernst Gernot Klussmann (1901–1975) einen deutschen Künstler der „Kriegsgeneration“, dessen Schaffen aufgrund seines durchgängigen Wirkens im Dritten Reich lange Zeit ignoriert wurde. Mit Weltersteinspielungen von zwei Kammermusikwerken der 1920er-Jahre beweist nun das für seinen Entdeckergeist bekannte Berliner Ensemble gemeinsam mit dem Pianisten Péter Nagy, dass hier ein Kompositionstalent den Kosmos der Goldenen Zwanziger um eine höchst originäre Stimme bereicherte.

Es gehörte über Jahrzehnte zu den Reflexen der deutschen Bewältigung und Aufarbeitung des Dritten Reichs, dass Persönlichkeiten und Funktionäre der damaligen Kulturszene, die nicht verfolgt, inhaftiert oder gar getötet worden bzw. ins Exil geflüchtet waren, sondern stattdessen hierzulande den Betrieb in Lehre, Forschung und Musikpraxis am Laufen hielten, unter Generalverdacht gestellt wurden (mit einigen berühmten erstaunlichen Ausnahmen, man denke nur an Herbert von Karajan, der der NSDAP gleich zweimal beigetreten ist) Person und Werk galten der Einfachheit halber oft pauschal als geächtet. Achtzig Jahre nach Kriegsende ist es nun an der Zeit, diese jeweils individuellen Künstlerbiografien und deren Hinterlassenschaften neu zu beleuchten , zu gewichten oder gar zu rehabilitieren. Und dabei eröffnen sich auch überraschende und faszinierende Klangwelten auf der allseitigen Suche nach einem Weg aus der Spätromantik hin zu einer Neuen Musik – wie im Fall von Ernst Gernot Klussmann (1901–1975).

Der im Kaiserreich geborene, in der Weimarer Republik aufgewachsene und dann im Nationalsozialismus sowie in der bundesrepublikanischen Ära komponierende und lehrende Hamburger hätte sich für ein modernes Plädoyer seines kammermusikalischen Schaffens keinen besseren Anwalt wünschen können als das Kuss Quartett. Dass nun Ernst Gernot Klussmann in den Fokus der Quartettmitglieder Jana Kuss (Vl.), Oliver Wille (Vl.), William Coleman (Va.) und Mikayel Hakhnazaryan (Vc.) geraten ist, verdankt sich mehrerlei: zuvorderst der Forschungsarbeit von Dr. Carsten Bock, der dank der Förderung durch die Funk Stiftung erste Noteneditionen im Laurentius-Musikverlag in Frankfurt herausgab, sowie ganz aktuell dem 75-jährigen Bestehen der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, die damit eines ihrer Mitbegründer gedenkt. (Fortführung des Textes in der angehängten PDF).

Die vom Kuss Quartett hier als Weltersteinspielungen vorgelegte Kammermusik Klussmanns entstammt den Zwanzigerjahren – und somit einer Frühphase seiner kompositorischen Entwicklung.

Diese CD-Novität liefert mit ihrer „hochkomplexen und gleichzeitig hochemotionalen Musik jenseits der Trends der 1920er-Jahre“ (F. Hardens-Withenow) neue hörenswerte Mosaiksteine für diese künstlerisch so vielstimmige Epoche – und skizziert das Bild eines jungen Komponisten, dem die Zeitläufte eine große Karriere letztlich versagten.

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