
Album-VÖ: Sämtliche Sonaten für Klavier und Violine von Beethoven mit Lena Neudauer und Paul Rivinius
Bis heute gelten Ludwig van Beethovens Sonaten für Klavier und Violine, die über einen Zeitraum von 15 Jahren in Wien entstanden, als Meilenstein der Gattung und werden als Kompendium der Duo-Besetzung Klavier und Violine betrachtet. Von Anfang an strebte Beethoven in seinen Duo-Sonaten nach einer ausgewogenen Partnerschaft zwischen den Instrumenten und stattete jede Sonate mit eigenen Besonderheiten aus. Bereits die frühen Sonaten op. 12 tragen das Selbstbewusstsein des jungen Komponisten nach außen. Die herrliche „Frühlingssonate“ aus dem Jahr 1801 ist die erste Sonate mit vier anstelle der üblichen drei Sätze und besticht mit kantablen und verspielten, unruhigen und sogar düsteren Momenten, aber auch mit Witz und schwärmerischen Themen. Einen Höhepunkt für die Gattung bildet die berühmte „Kreutzersonate“. Sie ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich mit ihren extremen Stimmungskontrasten und einer leidenschaftlich aufgewühlten Tonsprache und fordert von ihren Protagonisten neben technischer Brillanz und Virtuosität einen unbedingten Willen zur Gestaltung. Die späte zehnte und letzte Sonate hingegen ist denkbar unprätentiös, verzichtet auf bravouröse Elemente, bedarf sanglicher Qualitäten sowie „Zartheit und Gefühl“, wie Beethovens Schüler Carl Czerny anmerkte.
Und Lena Neudauer hat dieses besonderes Gespür für Beethovens Klangsprache. Pünktlich zum Beethoven-Jahr 2020 nahm sie bereits das Violinkonzert und die Romanzen von Beethoven auf, mit Marcus Bosch und der Cappella Aquileia (cpo), und setzte damit ein Ausrufezeichen in der Beethoven-Rezeption.
Das Luxemburger Tagblatt resümierte: „Neudauers Spiel besitzt Kraft und Griffigkeit, ihr dunkler, manchmal sogar rauer Ton lässt die Ecken und Kanten des Werkes hervorragend zur Geltung kommen, um dann im nächsten Moment wieder mit einem sehr lyrischen, fast gesanglichen Spiel genau die Gegenseite von Beethovens Wesen zu beleuchten. (…) Kein Zweifel, Lena Neudauer ist eine persönlichkeitsstarke Interpretin, die ganz im Sinne des Komponisten und seines Werkes arbeitet“ und Fono Forum bescheinigte ihr einen „kristallinem Ton und sparsamen Vibratoausdruck“ – besser könne man Beethovens Violinkonzert nicht spielen.
Lena Neudauer durchschreitet den Kosmos der zehn Sonaten zusammen mit ihrem Klavierpartner Paul Rivinius stilsicher, technisch brillant und mit hochsensibler Musikalität. Beethovens vielschichtiger Sonaten-Zyklus hat einen enormen Ausdrucksambitus und wird zum Prüfstein für seine Interpreten. Neudauer und Rivinius, die eine langjährige kammermusikalische Freundschaft verbindet (2013 gemeinsame Ravel-Einspielung), haben diese Herausforderung hörbar genossen. Sie gestalten den Dialog zwischen Violine und Klavier atemberaubend spannungsreich, erfassen alle dynamischen Abstufungen, bringen die tänzerischen Elemente ebenso zur Geltung wie die innigen Momente, haben einen Sinn für Beethovens intelligenten Witz, für seine rhythmische Komplexität, für die Verzierungen und kantablen Kostbarkeiten. Und sie besitzen den langen Atem, der über die Spielzeit von fast vier Stunden trägt.
Für pizzicato haben sie mit der „Supersonic“-Auszeichnung diese Prüfung bestanden, denn sie „formen die Sonaten als elegante Gebilde, […] ihnen gelingt die ausgewogene Darstellung der Werke, aber vor allem auch im Miteinander.“ Man müsse „die Vertrautheit als spannendes und inspirierendes Miteinander verstehen.“