CD-VÖ: Marcel Brunner – Ein Debütalbum mit Haltung und Botschaft

Es ist nicht die leichteste Kost, die sich Marcel Brunner für sein Debütalbum (VÖ 5.9., Hänssler) gewählt hat. Dafür setzt der Bassbariton mit „Remembrance“ gleich ein unüberhörbares Statement, das sein Anliegen als Künstler, Mensch und Homo politicus inmitten unserer durch Kriege destabilisierten Weltgemeinschaft lautstark transportiert: „Die Idee zu diesem Album entstand nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Ein Schock durchzog die Lande: Ein Krieg mitten in Europa. Man fragte sich zwangsläufig: Wie würde man sich fühlen, wenn man plötzlich so unmittelbar mit einem Krieg konfrontiert oder direkt von dessen verheerenden Auswirkungen betroffen wäre?“

Dabei beweist der gebürtige Bad Mergentheimer ein besonderes Gespür in der Zusammenstellung – mit zum Teil ungehörten Repertoirejuwelen, die unter den Weltkriegseindrücken des 20. Jahrhunderts entstanden. Initialzündung für Marcel Brunner war seine Entdeckung der Lieder von Rudi Stephan (1897–1915), eines aus Worms stammenden musikalischen Autodidakten, der 28-jährig als Soldat im Ersten Weltkrieg fiel und dessen Nachlass zum Großteil im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde. Lediglich zwanzig seiner Liedkompositionen blieben erhalten, von denen hier mit „Zwei Ernste Gesänge“, „Mitternacht“, „Weihnachtsgefühl“ und „Waldnachmittag“ gleich ein Viertel zu hören ist – hochexpressive, zukunftsgewandte Musik über die existenzielle Fragestellung nach dem Sinn des Lebens im Angesicht von Krieg und Tod. Auch der Mannheimer Komponist Robert Kahn (1865–1951), musikalisch groß geworden im Schumann-Rheinberger-Brahms-Dunstkreis und später dann als Jude nach England emigriert, bietet mit seinem stattlichen Werkverzeichnis ordentlich Überraschungspotenzial. In den hier als Zyklus-Ersteinspielung vorliegenden „6 Gesängen aus ernster Zeit“ op. 63 verarbeitet der langjährige Berliner Kompositionsprofessor „die Trauer der Hinterbliebenen und die psychischen Narben des Ersten Weltkrieges sowie die Hoffnung auf bessere, friedlichere Zeiten“, sagt Brunner.

Die pianistische Mitgestaltung auf dieser Einspielung – Klavierbegleitung wäre hier sicher zu kurz gegriffen – obliegt mit Doriana Tchakarova einer, wenn nicht der weiblichen Expertin des Metiers: Sie hat die traditionell männerdominierte Domäne aufgebrochen und sich im Kunstlied-Bereich als Pianistin erfolgreich etabliert.